01.06.23 | 16:15 – 17:45

Dem Klimawandel „ein Gesicht geben“?

Emotional-affektive (Be-)Greifbarmachungen der Klimakrise und ihre Bedeutung für klimapolitische Dynamiken

Dr. Jan Winkler
Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, Institut für Geographie

HS 4 1.43, Von-Seckendorff-Platz 4

Der Beitrag beleuchtet die Bedeutung von Emotionen und Affekten für verschiedene klimapolitische Konflikte und Aushandlungsprozesse. Dabei wird insbesondere die Frage in den Mittelpunkt gestellt, inwiefern emotional-affektive Dynamiken Prozesse einer (Be-)Greifbarwerdung und (Be-)Greifbarmachung von Klimawandel/Klimakrise beeinflussen. Während zu klimawandelbezogenen Prozessen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, bleibt das „Großphänomen“ Klimawandel (Everts 2016) mit den Worten Timothy Mortons (2013) gesprochen in gewisser Weise ein „Hyperobjekt“: Ein sich den Maßstäben menschlicher Erfahrung in sowohl räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht entziehender und in komplexen raumzeitlichen Materialitäten Ausdruck findender planetarischer Prozess. Folglich weisen Auseinandersetzungen um klimawandelbezogene Phänomene eine nicht selten konfliktvolle epistemologische Dimension auf. Vor diesem Hintergrund gilt es zu untersuchen, auf welche Weisen Klimawandel problematisiert, d.h. als ein Gegenstand von Aushandlungsprozessen konstituiert, dabei verschiedentlich erfahrbar und verortbar gemacht sowie als mehr oder weniger krisenhaft artikuliert wird. Emotionale Praktiken und Politiken, so die These, beeinflussen jene Problematisierungsprozesse bzw. sind diesen inhärent. Gerade im Hinblick auf die emotional-affektive Dimension zeigen sich dabei Prozesse der Verortung und Verkörperung von Klimawandel/Klimakrise als besonders wirkmächtig. Im Rekurs auf mehrere empirische Fallbeispiele – (1) klimaaktivistische Praktiken, (2) affektive Raumproduktionen in lokalen Anti-Kohle Protesten und (3) neu aufkommende politische (Bildungs-)Programme im Schnittfeld Klimawandel und Migration – nähert sich der Beitrag der Frage an, inwiefern gerade der Blick auf Emotionen und Affekte dazu beitragen kann, umkämpfte klimapolitische Raumproduktionen, Erkenntnismodalitäten, Erfahrungshorizonte und Subjektivierungsdynamiken zu verstehen. So skizziert der Beitrag letztlich eine politische Topologie des “affective Anthropocene” (Ginn et al. 2018).

Everts, J. (2016): Connecting Sites: Practice Theory and Large Phenomena. Geographische
Zeitschrift 104: 50–67.
Ginn, F./Bastian, M./Farrier, D./Kidwell, J. (2018): Introduction – Unexpected Encounters with
Deep time. Environmental Humanities 10 (1): 213-225.
Morton, T. (2013): Hyperobjects: Philosophy and Ecology after the End of the World. Minneapolis: University of Minnesota Press.