12.05.16 | 16:15

Was ist ein kulturelles ‚Objekt‘ im digitalen Raum?

Ringvorlesung „Museum 4.0 - Herausforderungen an kulturelles Erbe in der digitalen Welt“

Manfred Thaller [Universität Köln]

Kooperation des ZIRS, des Instituts für Soziologie, der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Juristischer Bereich, und des Seminars für Ethnologie
Melanchthonianum, Hörsaal Z
Universitätsplatz 8/9
06108 Halle

Die Faszination der Authentizität kultureller Objekte geht nicht zuletzt von deren physischer Präsenz aus; davon lebt schließlich ein wesentlicher Teil der touristischen Verwertung des kulturellen Erbes. Oder zumindest von der Authentizität vortäuschenden Dinglichkeit, wie der anhaltende Erfolg der Tutanchamun Ausstellung (http://www.tut-ausstellung.com) zeigt. Für die fachliche Beschäftigung mit dem kulturellen Erbe im digitalen Raum sind Versuche, die Materialität von Objekten des kulturellen Erbes zu simulieren, bisher freilich weniger wichtig. Aus dem „Turning the Pages“ Ansatz des British Museum ist zwar ein spezialisiertes Softwareunternehmen entstanden (http://ttp.onlineculture.co.uk/), das ansprechende publikumswirksame Oberflächen bietet, in der fachlichen Beschäftigung mit dieser Objektgattung stehen jedoch nach wie vor Ansätze im Zentrum, die auf diese Effekte verzichten (vgl. http://www.e-codices.unifr.ch/de). In der Tat könnte man die traditionelle Vorgehensweise bei der digitalen Aufbereitung des kulturellen Erbes geradezu als gezielte Auflösung des Objekts bezeichnen, bei der das Ausgangsobjekt auf nur mehr lose verknüpfte Datenelemente aufgeteilt wird. Der Vortrag versucht zu zeigen, dass neuere Ansätze in den Informationstechnologien die Möglichkeit bieten, kulturelle Objekte auf logischer Ebene stärker als bisher als integrale Informationsobjekte und nicht nur als Wolken von Datenfeldern zu verstehen – mit neuen Möglichkeiten sowohl für deren fachwissenschaftliches Verständnis als auch für den popularisierenden Zugang.

Prof. Dr. Manfred THALLER ist emeritierter Professor für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung an der Universität zu Köln. Ursprünglich als Historiker entwickelte er in den vergangenen 40 Jahren Lösungsmöglichkeiten der Informatik für Fragestellungen aus den Geisteswissenschaften, dort häufig – aber nicht ausschließlich – historische Fragestellungen.