Orientwissenschaftliches Zentrum
Institut für Ethnologie
Reichardtstr. 11
06114 Halle/Saale
Der “Orient” ist seit jeher weniger als eine tatsächlich bestehende sozio-kulturelle Größe und Einheit zu betrachten als ein Spielfeld und letztlich Produkt westlicher Imaginationen und Machtpolitik. Dieses seit Edward Said gemeinhin als “Orientalismus” benannte und bekannte Phänomen der Selbstreflexion und -konstituierung im Fremden hat besonders an anglo-amerikanischen Universitäten dazu geführt, dass der Begriff “Orient” als politisch nicht korrektes Relikt eben dieses Orientalismus selbst verschwunden ist.
Die intellektuelle Aufgabe, nicht nur von Wissenschaftlern aus den “Orientwissenschaften”, muss darin bestehen, den “Orient” als weiterhin existierende imaginative und faktische Realität in seinem dialektischen Verhältnis zum “Westen” oder “Okzident” ernst zu nehmen. Dabei gilt es jetzt, mithilfe interdisziplinärer Zugänge und unter Beachtung von Geschichte und Ideengeschichte des Orientalismus gegenwärtige Manifestationen und Spielarten des Orient-Okzident-Komplexes und kontemporärer Prozesse der “Orientalisierung” (bzw. “Okzidentalisierung”) in einer sich stets weiter globalisierenden Welt zum Gegenstand der Beobachtung und Analyse zu machen. Auch und vielleicht gerade anscheinend unspektakuläre, nichts desto trotz hoch signifikante und wirkmächtige “Kontaktzonen”, wie etwa in den Feldern von Tourismus, Sport, Medien und wirtschaftliche Zusammenarbeit, sollten verstärkt unser Erkenntnisinteresse anziehen. Genereller gesehen werden wir uns also nicht nur kritisch mit Saids Kritik am westlichen “Orientalismus” auseinandersetzen müssen, sondern auch damit, wie dieser “Orientalismus” im postkolonialen und neokolonialen Zeitalter im “ehemaligen Orient” eventuell selbst Fuß gefasst hat und in welchen Formen dies geschieht.
Es sind diese dialektischen imaginativen wie faktischen Begegnungen zwischen “Orient” und “Okzident”, “Morgenland” und “Abendland”, der “fremden” und der “eigenen” Kultur, Begegnungen, die weiterhin wirken und stets neue und sich konstant verändernde soziokulturelle, politische, wirtschaftliche und religiöse Gegebenheiten schaffen, die im Mittelpunkt des interdisziplinären Symposiums “Neu-Orientierungen” stehen sollen. Nicht nur Vertreter der Orientalistik, sondern in größerer Zahl auch Forscher systematischer Disziplinen mit Regionalexpertisen bezüglich Asiens und Afrikas (Ethnologie und Historische Ethnologie, Osteuropäische und Westasiatische Geschichte, Kunst und Architekturgeschichte, Geographie, Jüdische Studien und Theologie) versprechen in ihren Beiträgen kritische Auseinandersetzung mit sozio-kulturellen, ästhetischen, ökonomischen, historischen, politischen und religiösen Facetten des “Orients” aus theoretischer, methodologischer, aber auch empirischer Sicht.
Zur Eröffnung findet am 16.07.2009, 18.00 Uhr s.t., eine Festveranstaltung in der Aula im Löwengebäude statt.
Kooperationspartner und Förderer: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – Graduate School Society and Culture in Motion, MLU – Indian Council of Cultural Relations, Neu Delhi – Deutsch-Indische Gesellschaft e.V., Zweiggesellschaft Halle (Saale)