
Die europäischen Bemühungen zu einer Nachhaltigkeitswende im Energie-, Verkehrs- und Industriesektor benötigen große Mengen kritischer, postfossiler Ressourcen. Insbesondere Lithium ist für eine nachhaltige Transformation unabdingbar und zuletzt in das öffentliche wie wissenschaftliche Rampenlicht geraten. Bisher stammt das Leichtmetall mehrheitlich aus Ländern der globalen Peripherie, doch das soll sich bald ändern. Im Zuge geopolitischer Verwerfungen und wachsender Unsicherheiten, überlappender Krisen sowie enormer Preissteigerungen für Lithium drängt die EU-Kommission auf die Förderung „heimischer“ Rohstoffvorkommen und unterstützt finanziell den Aufbau neuer Minen-, Aufbereitungs- und Produktionsinfrastruktur in Europa mit Milliardensubventionen. Die dünnbesiedelte und ökonomisch schwach entwickelte Extremadura im äußersten Westen von Spanien steht im Fokus der geo- sowie wirtschaftspolitischen Bestrebungen der Kommission. Hier, in der europäischen Peripherie, sollen die größten Lithiumvorkommen des Kontinents lagern und seitens der EU möglichst bald abgebaut werden. Doch die geplanten Projekte in den Provinzen von Badajoz und Cáceres wecken Begehrlichkeiten und Protest zugleich. Damit werfen sich grundsätzliche Fragen hinsichtlich unseres sozio-materiellen Verhältnisses von und Beziehung zu Ressourcen auf und stellen den zukünftigen industriellen Abbau von Rohstoffen in Europa per se auf den Prüfstand. Welche Wertzuweisungen erfahren dabei die Bodenschätze der Zukunft und welche Werte gilt es bei ihrem Abbau in der neuen Peripherie zu berücksichtigen?
Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, mittels qualitativer ethnografischer Methoden sozioökologische und multiskalare Aushandlungen im Umfeld der geplanten Lithiumminen in Extremadura zu analysieren. Anhand von zwei Großprojekten im Umland von Badajoz und Cáceres gilt zu untersuchen, welche neuen Aspekte und Wertegefüge mit dem Abbau kritischer Ressourcen in der „neuen Peripherie“ einhergehen und inwieweit sich diese in den gegenwärtigen Debatten um Extraktivismus im globalen Süden wiederfinden bzw. auch in einer neuen Form extraktivistischer Logik(en) artikulieren.
Das Forschungsvorhaben trägt damit wesentlich zum wissenschaftlichen Diskurs um Resourcification und Extraktivismus im globalen Norden sowie der aktuellen Nachhaltigkeitsforschung bei und liefert zudem einen konzeptionell-theoretischen Beitrag zum Verständnis und zur (Re)Produktion von neuen Peripherien.